13 Juni Ein Wochenende zwischen Steinriegeln und Reisighaufen
Von Katja Broßuleit
Die besten Projekte beginnen irgendwo zwischen Verzweiflung und „Halt mal mein Bier!“.
So ähnlich – und einem langen Pfad durch alle Höhen und Tiefen der Bürokratie folgend – begann auch der Weg des ganz jungen Vereins VIPERA e.V., an dessen erstem Treffen der VIPERA-Vereinsmitglieder Mitte Mai 2024 wir teilgenommen haben. Der Verein hat sich dem Schutz der Kreuzotter, ihrer weiteren Erforschung, der Vernetzung von Fachleuten sowie der Aufklärung der Bevölkerung verschrieben.
Die Koffer also gepackt mit der schieren Faszination für die Kreuzottern gepaart mit einer sehr angemessenen Portion Respekt und natürlich der Hoffnung, die Tiere tatsächlich auch in ihrer natürlichen Umgebung zu finden, haben wir den langen Weg auf uns genommen und sind der Einladung des VIPERA-Vorstands nach Bischhofsreut in den Bayrischen Wald gefolgt.
Nach gut 6 Stunden Fahrt („Gehalten wird nur zum Tanken!“) hatten wir nach einem kurzen Hallo kaum 10 Minuten Zeit, unsere Zimmer zu be- und die Gummistiefel anzuziehen, da ging es mit den anderen Erstankömmlingen auch schon auf die erste Exkursion. Und die Veranstalter haben wirklich nicht zu viel versprochen: Gleich hinter dem Tagungshotel, vielleicht 350 m entfernt, wurden wir auch schon für die lange Anfahrt belohnt: Da lag sie! Wu n d e r s c h ö n. In der Grundfarbe ein dunkles Bronze mit einem wunderbar schwarz abgesetzten – und dem so typischen! – Zickzack-Band auf dem Rücken. Und selbst unser Exkursionsleiter Paul Hien war überrascht von der Größe dieses Tieres. Die Exkursionsrunde ähnelte nun eher der Pressemeute auf der Mailänder Modewoche. Wichtig jedoch: ein Foto von der Kopfzeichnung machen! – zur Dokumentation und eventuellen Wiedererkennung, denn die Anordnung der Kopfschuppen eines Tieres ist so individuell wie unser Fingerabdruck. Dann ließen wir die Schöne aber weiterziehen.
An vielen weiteren Exemplaren sollten wir uns an diesem Nachmittag und gesamten Wochenende noch ergötzen können. Die Tage waren so aufgeteilt, dass bis etwa 17 Uhr die Wanderungen und am Abend nach einem köstlichen Mahl aus lecker zubereiteten regionalen Produkten, Vorträge und Diskussionsrunden stattfanden, zu denen dann auch die Anwohner der Gemeinde eingeladen waren. Hier hörten wir Beiträge zur Ökologie und Verbreitung der Kreuzotter, zur Bedeutung der Moore und des Nationalparks Bayrischer Wald insgesamt, staunten über eine in Bildern dokumentierte Bissverletzung, folgten der Suche nach Erklärungen für den starken Rückgang bis hin zum Aussterben in vielen Landesteilen und unternahmen sogar gedankliche Ausflüge in die Genetik der Kreuzottern. Doch nach so langen und aufregenden Tagen glüht einem dann um 22 Uhr beim Nachdenken über „private Allele“ doch schon mal der Kopf. Das war aber nicht schlimm, denn im Anschluss daran konnte er bei Limo, Wein oder Bier wieder etwas abkühlen.
Ein Besuch im Reptilienfreigelände des Nationalparkzentrums Lusen rundete das VIPERA-Wochenende ab. Hier sind für Besucher auf überschaubarer Fläche Idealhabitate für Kreuzotter, Ringelnatter und Waldeidechse geschaffen worden, und mit etwas Wetter-Glück kann man hier die Tiere wunderbar beobachten. Gleich eine gute Gelegenheit, die Wärmebildkamera an den Tieren zu testen. Seht ihr die Tiere auf dem Foto?
Apropos Wärme: Ein Grund, dass die Kreuzotter in ihrer Zahl so stark zurückgeht, sind die immer wärmer werdenden Jahre, die ausbleibenden Schneedecken und anhaltenden Fröste. Die Kreuzotter mag es kühler und ist damit leider ein Opfer der Klimaveränderungen.
Das Wort des Wochenendes war allerdings eindeutig „Steinriegel“. Dabei handelt es sich um Lesesteinreihen, die dadurch entstanden, dass die Landwirte früher die Steine vom Feld an die Ränder geschichtet haben. Inzwischen sind diese „Steinhaufenreihen“ von Moos, Wildkräutern und auch kleinen Sträuchern überwachsen und bilden so das perfekte Habitat für die Kreuzottern. Sie können sich hier wunderbar sonnen oder von hier aus auf die Jagd gehen, und sich bei Gefahr blitzschnell wieder in einer der zahlreichen Spalten verstecken. Neben den Steinriegeln bilden aber auch Reisighaufen eine wichtige Lebensgrundlage für die Tiere. Diese Erkenntnis haben einige sehr engagierte Anwohner und Kreuzotterfreunde zum Anlass genommen und den Schlangen zusätzliche neue Habitate auf ihren Äckern und Feldern geschaffen. Ohne Zögern wurden hier Sommer-, Winter- und sonnenverwöhnte Brutplätze neu erschaffen. „20 Tonnen Material gehen da schon mal locker drauf!“ wurde hier geklotzt und nicht gekleckert. Denn: Wie so oft liegt nämlich die rückläufige Entwicklung der Individuenzahlen auch an der Zerstörung und Zerschneidung ihrer Lebensräume.
Und so traten wir am Sonntag um viele Eindrücke und Informationen reicher die Heimreise an, einmal mehr in dem Bestreben bestärkt, diese Art zu erhalten und im besten Falle auch wieder in geeigneten Regionen in Sachsen-Anhalt stärker zu etablieren.